THW ermöglicht Güterzug-Bergung über Nacht

Am späten Donnerstagabend wurde das Haller THW gerufen, die nächtliche Bergung eines entgleisten Güterzuges mit Beleuchtung zu unterstützen.

Es ist Donnerstagabend, 21:23 Uhr, ein wunderschöner roter Sonnenuntergang verziert den Abendhimmel über Schwäbisch Hall, als es für das Technische Hilfswerk (THW) Schwäbisch Hall heißt: „Beleuchtungseinsatz Bahnunfall Michelbach/Bilz“. Nur kurze Zeit später treffen die ersten Helfer in der Unterkunft des Ortsverbandes in Sulzdorf ein. Der Lichtmastanhänger wird mit wenigen Handgriffen an das Zugfahrzeug angehängt und keine Viertelstunde nach dem Alarm rücken die ersten Helfer in Richtung der Bahngleise in Michelbach ab.

Am Einsatzort angekommen, hat die Dämmerung bereits eingesetzt. Nach kurzer Rücksprache mit dem Notfallmanager der Deutschen Bahn und dem Kranunternehmen verschafft sich der Einsatzleiter des THW eine kurze Übersicht über die Lage. Die zwei Teile des Güterzugs stehen über hundert Meter voneinander entfernt. Stahlträger an der Lärmschutzwand sind wie Streichhölzer umgeknickt, mehrere Zentimeter dicke Schrauben einfach abgeschert – ein Bild der Verwüstung. Drei Wagen des Zuges sind entgleist. Der Güterwagen am Ende der vorderen Zughälfte wird von den Spezialisten der Bahn für rollfähig befunden und soll aufgegleist werden. Da er in einer leichten Senke steht, welche von beiden Seiten mit Bäumen bewachsen ist, wird der Lichtmastanhänger des Haller THW aufgestellt, um die Einsatzstelle von oben zu beleuchten. Hoch über den Baumwipfeln werden die Hochleistungsscheinwerfer in Position gebracht und für das Bergungsunternehmen die Arbeitsstelle beleuchtet.

Gegen 22 Uhr treffen weitere Helfer des Haller THW mit dem Gerätekraftwagen und einem LKW- Anhänger voller Beleuchtungsmittel ein. Nach kurzer Einweisung stellen sie routiniert armdicke Starkstromkabel, Energieverteiler, Stative und Leuchtmittel am beschädigten Gleisbett entlang auf. Alles in allem soll eine Strecke von 600 Metern beleuchtet werden. Es dauert nicht lange und die Nacht wird an der Einsatzstelle zum Tag.

Während der erste Wagon bereits aufgegleist ist, konzentriert man sich einige hundert Meter weiter auf den im Bankett liegenden Güterwagon. Dieser und ein weiterer, schwer beschädigter Wagen sollen mit einem Spezialkran geborgen werden.

Mit Motorsägen werden Büsche und Bäume zurecht geschnitten, um für den Spezialkran einen Stellplatz aufbauen zu können. Die Bergungsunternehmen bringen mehre Kipplaster mit Schotter an die Einsatzstelle und ebnen eine 10x20 Meter große Stellfläche mit dem Bagger ein.

Nachdem die Arbeiten am vorderen Zugteil abgeschlossen sind und die Ankunft des großen Mobilkrans noch erwartet wird, versetzen die THW-Helfer ihren Lichtmastanhänger an die neue Einsatzstelle, um die bereits aufgebaute Beleuchtung entlang der Strecke und an den entgleisten Wagons zu ergänzen. Die Beleuchtung steht, die Stromaggregate laufen – mehr ist aktuell für die THW-Helfer nicht zu tun. So wird die ursprünglich 13 Helfer starke Mannschaft auf fünf an der Einsatzstelle verbleibende reduziert.

Es ist 01:30 Uhr, als der sechsachsige Schwerlastkran an der Einsatzstelle eintrifft. Von Ludwigsburg angefahren, soll er Lasten bis 350 Tonnen anheben können. Es ist nicht das Gewicht der leeren Wagons, das nach so einem großen Kran verlangt, sondern die Lage vor Ort. Die Tatsache, dass der Kran nicht näher als 25 Meter von den zu bergenden Wagons entfernt aufgestellt werden kann und diese zusätzlich noch über die abgeschaltete Oberleitung heben muss, macht solche Dimensionen notwendig.

Es dauert gut zwei Stunden, bis der Spezialkran aufgebaut ist und die mehrere Tonnen schweren Gegengewichte angebracht sind. Die Gegengewichte des Krans wurden mit zwei zusätzlichen Tiefladern gebracht. Die Bahnmitarbeiter und THW-Helfer nutzen diese Zeit, um sich etwas Ruhe zu gönnen. Die Füße schmerzen, es ist unheimlich anstrengend auf dem geschotterten Gleisbett zu gehen und dabei schwere Ausstattung zu tragen.

Es ist kurz vor vier Uhr morgens, als der erste der beiden Wagons von dem Kran an den Haken genommen wird. Ein schwerer Spezialabschleppwagen sichert mit zwei dicken Stahlseilen den beschädigten Wagen gegen das Wegrutschen. Mit einem hässlichen, dumpfen Knacken hebt sich der Stahlkoloss aus dem Bankett. Die Radachse hängt zur Hälfte herunter. Es ist unglaublich zu sehen, welch eine Kraft bei solch einem Unfall frei wird.

Die Mitarbeiter der Bergungsunternehmen stehen ständig in Kontakt miteinander und korrigieren, falls nötig, die Spannung der Stahlseile, um so den Wagon sicher auf den bereitstehenden Tieflader absetzen zu können.

Die Sonne geht bereits langsam am Horizont auf, als der letzte Wagon an den Haken kommt. Millimetergenau steuert der Kranführer den sich drehenden Wagon an den Oberleitungen vorbei. Jetzt können die THW-Helfer bereits die ersten Lichter wieder ausmachen. „...das Tageslicht reicht uns jetzt zum Arbeiten...“, stellen die inzwischen auch etwas erschöpften Bahnarbeiter fest. Trotz allem können die THWler erst dann alle Stromkabel und Scheinwerfer abbauen, als der letzte Wagon von den Gleisen ist. Es ist einfach zu gefährlich, unter solchen, sich bewegenden Lasten irgendwelche Kabeltrommeln aufzuräumen. Es ist 06:35 Uhr. als das Fahrzeug des THW Schwäbisch Hall die Einsatzstelle verlässt. Etwas müde und erschöpft wird noch das benutzte Material in der Unterkunft in Sulzdorf ausgeladen und der Lichtmastanhänger und das Zugfahrzeug in die Fahrzeughalle geparkt, bevor die Helfer nach Hause ins Bett können. Für die Haller Helfer ist es nach den Einsätzen an der Jagst und auch in Braunsbach schon normal geworden, dass, wenn Beleuchtung gebraucht wird, sich die Einsätze bis in die Morgenstunden ziehen können. Aus diesem Grund zählen zwischenzeitlich auch Feldbetten zur Ausstattung der Beleuchtungsgruppe, damit den Helfern nachts eine kleine Auszeit gegönnt werden kann.

Nach dem schweren Zugunglück in Schrozberg und dem Unfall in Fichtenberg ist es bereits der dritte Einsatz in 15 Jahren, bei dem das Schwäbisch Haller THW die Einsatzstellen für die Bahn beleuchtete.

Eingesetzt waren 13 Helferinnen und Helfer mit drei Fahrzeugen, einem Lichtmastanhänger (Höhe 10m) und einer Netzersatzanlage mit 50 kW Notstrom. Verbaut wurden ca. 500m Kabel und Scheinwerfer mit einer Gesamtlichtleistung von 25.000 Watt.

Bericht: Raphael Noe und Thomas Müller
Fotos: Thomas Müller

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